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Bilder in der U-Bahn

Im Schuljahr 2015/16 unterrichte ich an der Deutschen Schule in London. Bei Fahrten in der U-Bahn fiel mir nicht nur die Werbung in den U-Bahn-Wagen auf, sondern vor allem, dass nicht alle Felder, die für

Werbung vorgesehen sind, auch von Werbung besetzt sind. Einige sind leer geblieben.

Da könnte man doch Bilder ausstellen, dachte ich mir.

Welche Art Bilder könnte das sein? Der Ort der Ausstellung sollte im Idealfall mit dem Inhalt der Bilder in Beziehung stehen. Als ich mit einer 4. Klasse zu einer Ausstellung in die

Courtauld Gallery gefahren war, hatten die Kinder unterwegs den Auftrag gehabt, Dinge zu zeichnen, die ihnen in der U-Bahn auffallen. Daher dachte ich zunächst daran, diese Zeichnungen nun von den Kindern vergrößern und ausarbeiten zu lassen.

Der nächste Gedanke war, Bilder direkt aus der Werbung zu entwickeln und dann das eigene Bild neben der Werbung in der U-Bahn zu platzieren. Diese Idee favorisierte ich wegen des direkten Bezugs und weil es für die Schüler wieder ein Beispiel dafür ist, wie man aus alltäglichen Dingen Ideen für künstlerische Arbeiten generieren kann. Das Ausstellen von (Kunst-)Bildern im öffentlichen Raum an einem kunstunüblichen Ort macht den Kindern deutlich, dass sie in „die Welt" gestaltend eingreifen können und damit zufällige Betrachter auf etwas aufmerksam machen und Gedanken in ihnen wecken können. Ebenso erfuhren sie, dass man bisher unentdeckte Nischen für gestaltende Eingriffe finden und neu nutzen kann.

Nagellack auf Fingernägeln

Tabletten-Gläser zum Diät-Medikament

Mein Plan war, dass die Kinder sich während einer Fahrt mit der U-Bahn eine Werbung aussuchen und daraus schnell eine Bildidee entwickeln, die sich ebenso schnell verwirklichen lässt. Es konnten aus Zeitgründen (wir konnten ja leider nicht den ganzen Tag mit Hinundherfahren in der Tube verbringen) eben nur schnelle Bilder sein. Damit diese nicht zu karg aussehen würden, wurden sie auf farbiges Tonpapier gemalt, und zwar hatte das Papier die gleiche Farbe wie der Hintergrund der Werbung. Als schnelles und unkompliziertes Malmittel boten sich Ölkreiden an.

Um das Arbeitsprinzip mit den Kindern zu üben, hatte ich im Vorfeld für jedes Kind eine andere Werbung in der Tube fotografiert und ausgedruckt. Die Größe der Werbungsflächen hatte ich ebenfalls ausgemessen. Die Übung in der folgenden Kunststunde dauerte natürlich länger als gedacht, weil die Kinder sich erst in die Denk- und Arbeitsweise einfinden mussten. Die in der Schule entstandenen Bilder wollten wir dann auf die Fahrt mitnehmen, in der U-Bahn anbringen, und dann wie oben gesagt weitere Werbungen aussuchen und dazu ein Bild malen.

Es war sehr spannend! Würde die Werbung noch in den Tube-Wagen sein oder schon durch neue ersetzt sein? Würde daneben ein Platz frei sein für das eigene Bild? Würde man sich trauen, das Bild dort zu platzieren, wenn die anderen Fahrgäste zuguckten? Würde man Ärger bekommen, weil die Angestellten der Tube nicht mit unserer Ausstellung einverstanden waren?

Aber alles ging gut, die Fahrgäste schauten verwundert bis interessiert unserer Aktion zu. Auf der Hinfahrt installierten wir die vorbereiteten Bilder in einer U-Bahn neben ihren jeweiligen Werbungspendants. Dann stiegen wir aus und in die nächste Bahn in der Gegenrichtung wieder ein. In dieser Bahn wurden die "Spontan-Bilder" erstellt und neben der entsprechenden Werbung angebracht. Zwei Tage später fuhr ich zufällig wieder in diesem selben U-Bahn-Wagen und fand dort hoch erfreut außer den mir schon bekannten Bildern auch noch einige, die ich während unserer Aktion gar nicht gesehen hatte. Ich hatte die Klasse in Gruppen auf mehrere Begleitpersonen aufgeteilt und so gar nicht von allen Kindern die in der U-Bahn entstandenen Arbeiten sehen können.

Salat zum Burger

Hier weitere der in der Schule vorbereitend entstandenen Schülerarbeiten:

"They eat grass - so you don't have to"
Aus Rind wird Burger

Streifen vom Pulli des Jungen

Chinese + Essstäbchen für die chinesische Mahlzeit

Haarsalon zu Haarfarben

Die Reise-Werbung weist den "path to inner peace" – der sich wohl im "inner piece" befinden mag

"Lovestruck"

Flugzeug zum neuen Ziel

Burg als Fortsetzung der Steinmauer in der
oberen rechten Ecke der Werbung

Piktogramme illustrieren die Vorzüge der beworbenen Reise nach Las Vegas

Die folgenden Bilder sind dann in der U-Bahn entstanden. Dabei musste es nun wirklich schnell gehen: Idee haben, malen, anbringen, und schon wieder aussteigen.

Die Anführungsstriche der Werbung sehen aus wie Noten, weil die Werbung aus zu ihr passend veränderten Songzitaten besteht. Die Noten wurden aufgegriffen und vergrößert.

Der Scheckkarte kommt es zugute, wenn Kosten gesenkt werden.

Hier wurde noch einmal auf die Haarfarbenpinselwerbung Bezug genommen, diesmal mit farbigen Haarsträhnen.

Diese hastig hineingeschobene Arbeit entdeckte ich voll Freude am übernächsten Tag in der U-Bahn. Der Schüler hatte – wie schon bei seiner Arbeit in der Schule – auch hier den Hintergrund der Werbung aufgegriffen und nachempfunden. Wunderbar wild!

© Unterrichtsidee: Nicola Rother 2015

Nachdem ich das Blatt etwas geglättet und in den Rahmen eingefügt hatte, schien es mir, dass die ungebändigte Ur-Version irgendwie beeindruckender.gewesen war.