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- ein Einkaufswagen wird umgedeutet
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Auf einem Grünstreifen am Schulparkplatz, an dem die Kinder täglich vorbeikommen, steht ein leicht ramponierter Einkaufswagen. Ein optischer Störfaktor - wenn man ihn denn überhaupt wahrnimmt, denn dem Vernehmen nach steht er da schon sehr lange und fällt kaum noch auf. Endlich nahm mein Auge ihn nun als kunstmögliches Objekt wahr: Daraus können wir doch etwas machen!
Schließlich ist ein Einkaufswagen nichts Unbekanntes mehr in der Kunst, zuerst fällt mir dazu Sylvie Fleury mit ihrem vergoldeten Exemplar auf Drehsockel ein. Das nur am Rande, denn unser Vorbild soll sie nicht sein. Nur um anzudeuten, dass eigene Ideen mitbestimmt sind durch das, was man an Kunst schon gesehen hat.
Ich versuche nun, an weiteren Ideen möglichst wenig vorweg auszubrüten, um die Kinder nicht in eine vorgedachte Richtung zu manövrieren. Oder im Gegenteil möglichst viele Ideenrichtungen anzudenken, um meinen eigenen Blick für viele verschiedene Ansätze zu weiten und offen zu sein für noch nicht gedachte Ideen der Kinder.
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Die Arbeit soll sich aus der vorgefundenen Situation herleiten. Diese soll betrachtet, ergründet und weitergedacht werden. Spielerisch, verschiedene Ansätze ausprobierend zu der einen oder anderen "guten" künstlerischen Aussage gelangen. Mein Gedanke war, den ausgesetzten Einkaufswagen zunächst in das Bewusstsein der Kinder zu bringen, sein Wesen und seinen Status in dieser Situation feststellen zu lassen, um Wesen und Status dann durch verschiedene Ideen und Interventionen der Kinder vom Negativen ins Positive zu verändern.
Aspekte des Gesprächs mit den Kindern: - wie kommt der Einkaufswagen hierher? - was ist er hier? - gibt es ein Zurück für ihn? - was ist seine Zukunft? - welchen Sinn können wir ihm hier geben? wie kann er hier nützlich oder schön oder sonstwie positiv und interessant werden?
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Der Wunsch, den Kindern einen Zugang zum Thema zu schaffen, führte mich auch zu den Fragen: "Wie fühlt sich der Einkaufswagen hier? Was wünscht er sich?". Kindern liegt die Verlebendigung von Gegenständen nahe und es wäre ihnen eher ein Anliegen, aus diesem Antrieb etwas für den Einkaufswagen zu tun als aus dem rein abstrakten Wunsch, die Bedeutung des Wagens zu verändern und eine künstlerische Aussage zu schaffen. Diese emotionale Aufladung des Einkaufswagens war mir jedoch nicht recht geheuer, da ich fürchtete, sie könne die Kinder zu sehr belasten. Eine gewisse Empfindsamkeit gegenüber Gegenständen ist sicher für deren Wertschätzung grundsätzlich nicht falsch, und auch die Idee des Unterrichts entsprang einer Anteilnahme an Gegenstand und Umwelt, doch wollte ich nicht riskieren, dass sich die Kinder zu sehr mit dem Hineindeuten von Gefühlen in Gegenstände und der Anteilnahme daran belasten. Darum griff ich einen entsprechenden rationalen Einwand von Jost (1. Jg.) dankbar auf und betonte, dass der Einkaufswagen letzten Endes ein unbeseelter Gegenstand bleibt und wir uns nur vorstellen, was er fühlen und denken würde. Die Kinder gingen hierauf nach meiner Einschätzung spielerisch mit dem Gedanken um, griffen ihn gern auf, aber nahmen ihn sich nicht zu sehr zu Herzen. Sie kamen jedoch immer wieder in der Begründung und Reflexion ihrer Interventionen auf das Motiv mit den Worten: "Da freut sich der Einkaufswagen!" zurück.
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Weil der Einkaufswagen schäbig und kaputt ist - die Schiebestange fehlt, Metall und Kunststoff sind geschwärzt -, kann er nicht mehr als Einkaufswagen eingesetzt werden. Er würde auch nicht zu den anderen, heilen Wagen passen, sondern er wäre dort ebenso ein Schandfleck wie hier in der Schulumgebung. Die Kinder wollten dem Einkaufswagen jedoch wieder die Gesellschaft der anderen Wagen verschaffen und erdachten hierzu zwei Lösungen:
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Zum Einen: Bilder mit ganz vielen Einkaufswagen zeichnen und in den Wagen hineinlegen, damit er sich nicht so einsam fühlt.
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Zum Anderen wurde eine der ersten Ideen aufgegriffen: den Wagen durch Anmalen zu verschönern. Auf welche Farbe können sich die Kinder einigen? Sie riefen: "Rot!" - "Lila!" - "Silber!" - "Gold!" - "Ja, Gold, Gold!!" Gold fand allgemeinen Anklang, was thematisiert wurde, um die Konnotationen dieser Farbe bewusst werden zu lassen.
So kamen auch wir zu einem goldenen Einkaufswagen, jedoch mit ganz anderem Hintergrund und anderer Absicht als Silvie Fleury. Wegen dieser Wesensverschiedenheit erschien es mir jetzt nicht sinnvoll, Fleurys Werk vorzustellen. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte man daran jedoch anhand einer Gegenüberstellung verdeutlichen, dass hinter gleichem Aussehen verschiedene Aussageabsichten stehen können.
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Jetzt könne man den Wagen wieder zu den anderen Einkaufswagen bringen, schlugen die Kinder vor, da er jetzt nicht mehr schäbig, sondern sogar schöner sei als die anderen. Also schoben wir ihn zum nahe gelegenen Supermarkt und stellten unseren goldenen den normalen silbernen Einkaufswagen gegenüber.
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Einzelne Wagen arrangierten die Kinder so, dass sie verschiedene Reaktionen und Kommunikationssituationen darstellten.
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Da wir nun eine gewisse persönliche Beziehung zu unserem Einkaufswagen entwickelt hatten, galt es zum Schluss, eine dauerhafte neue, sinnvolle und schöne Verwendung für ihn zu finden. Da kam uns der "Sonnenblumen-Aufruf" von Mario Urlaß (Kunst+Unterricht, Heft 290 "Material kompakt: Pflanzen", Seelze 2005, S. 6) gerade recht. Er ist verwandt mit schon geäußerten Ideen der Kinder: dem Nest für Tiere, dem Eiernest zu Ostern, dem Schmuck des Wagens mit Zweigen und Blumen. Der Fundort des Einkaufswagens grenzt ja sogar direkt an den Schulgarten! Was liegt da näher, als den Wagen nun auf die andere Seite des Zauns zu stellen und ihm eine dorthin gehörende Funktion zu geben. Der Zaun spielt eine besondere Rolle, denn durch die Goldfarbe ist der einstige Schrottwagen ja nun kostbar geworden und damit diebstahl- und vandalismusgefährdet. Besonders, wenn er auch noch bepflanzt sein wird.
Also fand der Einkaufswagen seinen neuen Platz im Schulgarten, als wertgeschätzter "Blumensitter", wie Marlon (4. Jg.) ihn nannte, überaus passend für das zukünftige Wachstum des "goldenen Negers" (= der Name der Sonnenblumenzüchtung), gebettet auf - natürlich goldener - Folie. Da Anfang März bei Schnee und Kälte die Aussaat der Sonnenblumen noch nicht möglich war, haben wir zunächst künstliche Blumen als Platzhalter gepflanzt.
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Das Ergebnis wurde von Mike auch als "Grab" benannt. Diesen kunsttypischen Aspekt der Mehrdeutigkeit hat der Einkaufswagen durch unsere Beschäftigung mit ihm jedenfalls erhalten - bzw. wurden die Kinder hierfür sensibilisiert.
© Unterrichtsidee: Nicola Rother 2005
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Literatur:
Voermanek, Eva/Wissmann, Silke (Hg.): Wie geht Kunst? Künstlerische Prozesse bei SchülerInnen und LehrerInnen. Kassel 2004
Kathke, Petra: Kunst in der Grundschule. Ein Rahmen(lehr)plan für drei Länder: Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. In: BDK-Mitteilungen, Fachzeitschrift des BDK Fachverbandes für Kunstpädagogik, Heft 1/05, Hannover 2005
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