Gern hätte ich das Werk von Wang Fu hier abgebildet, doch leider müsste ich dafür hohe Urheberrechtsgebühren zahlen. Unter diesem Link oder jenem Link finden sich Abbildungen.

www.nicola-rother.de

Dreamer
Träumer -  und andere Köpfe

Die weißen Scherenschnitte waren die Grundlage für die Collagen-Köpfe.

Eine Möglichkeit, das Thema Träume / Sehnsüchte / Wünsche umzusetzen, zeigt die Beschäftigung mit Wang Fu's Plastikengruppe „Dreamer", die in der Ausstellung „Die obere Hälfte" der Kunsthalle in Emden (2006) zu sehen war.

Ich habe das Kunstwerk bisher zweimal im Unterricht thematisiert, zunächst 2006 mit einer 3. Klasse (hier die Unterrichtsskizze zur Werkbetrachtung) und einmal 2013 mit einer 2. Klasse. Über die zweite Unterrichtseinheit berichte ich weiter unten.

Hier einige Ergebnisse aus der ersten Unterrichtseinheit:

Andrea: Das Steine- und Sauriermuseum aus dem Urlaub
(s. weißer Scherenschnitt im Klassenfenster unten links)

Sebastian: Bayern München
(s. weißer Scherenschnitt im Klassenfenster oben links)

Yannik: Katzen. Collage aus Internetausdrucken.
(s. weißer Scherenschnitt im Klassenfenster oben rechts)

Marius: Auto-Tuning.
Aus einem Poster geschnitten.

Annika: Meerjungfrau

Jascha: Fifa-WM-Ball 2006

Lisa: Kutschen

Jasmin: Konzert von Tokio Hotel
(Man beachte die vielen Zuschauer!)

Als ich die "Dreamer" einige Jahre später noch einmal thematisierte, wollte ich den Zugang offener halten und nicht allein auf das Werktitel-Thema "Träume" fixieren, denn im ersten Durchgang hatte sich gezeigt, dass die Kinder nicht unbedingt von selbst auf diese Deutung kommen und sie daher etwas gezwungen erschien. Diesmal wollte ich die originären Interpretationsansätze der Kinder zur Grundlage ihrer eigenen Themenfindungen machen. Hierzu protokollierte ich während der gemeinsamen Werkbetrachtung wesentliche Äußerungen der Kinder verdeckt hinter der Tafel und beschränkte mich ansonsten darauf, die Kinder ausgehend von ihren überwiegend beschreibenden Äußerungen durch Impulse auf Überlegungen zu den Beweggründen und Absichten des Künstlers zu lenken. Also beispielsweise von der Schüleräußerung "Er hat die Natur auf die Figuren gemalt" ausgehend nachzuhaken: "Wie kam er denn ausgerechnet auf diese Idee? Hat die Natur denn etwas mit den Figuren zu tun?"

Die ungeordneten Protokoll-"Schnipsel" auf der Tafelrückseite haben wir dann gemeinsam nach ihren Zielrichtungen (wie? was? warum?) sortiert. Es sieht zwar chaotisch aus, aber die Kinder behielten erkennbar den Durch- und Überblick.

Aus den Warum?-Aspekten, also den Interpretationsansätzen der Kinder, wurden Oberthemen formuliert und auf Plakatstreifen geschrieben.
In der nächsten Stunde wurde dann der Fokus weg vom Künstler und hin auf die Kinder gelenkt, indem ich Wörter wie "der Künstler" mit "du" überklebte.

Zu den Oberthemen wurden im nächsten Schritt auf den Plakaten vielfältige Unterthemen für die nachfolgende Aufgabe gesammelt. Die Plakate hingen eine Woche lang in der Klasse und immer wieder schrieben die Kinder in den Pausen weitere Ideen darauf.

Nachdem auf diese Weise ein breites Spektrum möglicher Themen zusammengekommen war, wurde im nächsten Schritt wieder reduziert. Auf einem Arbeitsblatt notierte jedes Kind zunächst eine engere Auswahl, um sich dann endgültig für zwei Themen zu entscheiden, eins für jede Seite seines Kopfprofil-Scherenschnitts.

Zu diesen Themen begann dann die Materialsammlung, sowohl zu Hause (hierzu gab es einen erläuternden Elternbrief) als auch ergänzend in der Schule, wo Zeitschriften als Bilderfundus bereitlagen und wo Bilder gemalt werden konnten.

Die Collagen wurden auf Zeichenblockblättern erstellt, dann auf die Silhouetten-"Schablone" aufgeklebt und von der Rückseite her zugeschnitten.

 Damit nicht wichtige Bilder durch das Zuschneiden verlorengingen, sollten diese eher mittig auf der Collage angeordnet werden. Die Kinder kamen auch auf die clevere Idee, die Kopfschablone unter das Zeichenblockblatt zu legen; dann scheint sie durch und man sieht, auf welche Stellen man noch Bilder kleben muss.

Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass man sich nicht zu sehr an der Schablone orientiert, sondern dass die Bilder über deren Rand hinausgeklebt werden, so dass beim Zuschneiden durch die aufgeklebten Bilder hindurchgeschnitten wird. Das Kopfprofil ist dann besser zu erkennen, als wenn sich die Bilder nur brav innerhalb des Kopfumrisses befinden.

Zur Auswahl und Anordnung der Bilder auf der Kopfsilhouette, zur Hintergrund- und Zwischenraumfüllung und zur Frage "Ist das so gut?" berieten sich die Kinder gegenseitig. Es erwies sich als sinnvoll, die Zuständigkeiten festzulegen. Dazu wurden "Beraterteams" gebildet, die jeweils aus drei Kindern bestanden. So hatte jeder zwei mögliche Ansprechpartner.

Meer

Musizieren

Spanien

Atmen

Wald

Fenster

Weltall

Lesen

Motoren

Farben

Atmen (Detail: Kind mit Taucherbrille und gemalten Luftblasenl)

Atmen (Detail: Kind und schlafendes Baby, beide mit Luftblasen, die auch die gesamte Collage überziehen)

Atmen (Detail: Organe des Körpers)

Wie immer wurden die fertigen Arbeiten vor der Klasse präsentiert. Hiermit sind wir gleichzeitig in den Fächern Kunst und Deutsch unterwegs, denn das Präsentieren ist ein wesentlicher Teil des Deutsch-Bereichs "Sprechen und Zuhören". Die Kunst-Präsentationen eignen sich bestens, um – auch für Deutsch – das Präsentieren zu üben und zu bewerten.

Um den Kindern die Hintergründe und Zusammenhänge ihrer Kopf-Collagen für die Präsentation wieder ins Bewusstsein zu rufen, ließen wir noch einmal die gesamte Unterrichtseinheit Revue passieren. Dabei ergab sich gleichzeitig eine Strukturierung der Präsentationsinhalte. Gemeinsam entwarfen wir mögliche Formulierungen. Ich notierte die entsprechenden Satzanfänge an der Tafel, wo sie als Gedächtnisstütze beim Üben der Präsentation und beim Vortragen dienten.

Wenn jedes einzelne Kind seine Arbeit vor der Klasse präsentiert, nimmt das viel Zeit in Anspruch. Nun möchte man Zweitklässlern nicht gern zumuten, eine Doppelstunde lang nur zuzuhören. Könnten sie währenddessen noch etwas anderes tun? Etwas malen oder schreiben? Schließlich möchten sie ja in den Kunststunden gern aktiv gestaltend tätig sein und nicht immer nur konzeptionell. Aber sie sollen ja auch hören und bedenken, was ihre Mitschüler sich bei den Arbeiten gedacht haben, und sich eine Meinung dazu bilden.

Nach einigem nächtlichen Grübeln kam ich auf folgende Idee: Die Kinder bekamen ein Zeichenblockblatt, das vermessen wurde (in Mathe hatten wir gerade das Thema "Längen und messen", wie passend) und in ein Raster unterteilt wurde, das in etwa so viele Felder hat, wie Kinder in der Klasse sind. Während ein Kind präsentierte, hatten die Zuhörer den Auftrag, in ein Feld des Rasters den Namen des Kindes zu schreiben und für jedes seiner beiden Themen ein Zeichen zu finden, das dieses Thema repräsentiert.

Dieses Vorgehen hatte mehrere Effekte: Die Aufmerksamkeit der Zuhörer wurde intensiviert, weil sie die jeweiligen Themen herausfinden wollten, um sie zeichnerisch zu notieren. Die Fähigkeit zur Symbolbildung wurde gefördert, weil die Kinder repräsentierende Zeichen für die Themen finden mussten. Manchmal war das einfacher (Thema "Natur" – Zeichen: Blatt oder Baum oder Blume), manchmal schwieriger (Thema "Leben" - welches Zeichen kann man dafür finden?). Auch bei den leichten Themen gab es verschiedene Möglichkeiten der Repräsentation, wie man an den oben genannten Lösungen der Kinder sieht.

Die auf diese Weise entstandenen zeichnerischen Präsentations-Protokolle haben aus meiner Sicht einen ungeheuren Reiz, weil sich in ihnen die individuellen Wahrnehmungen, Verarbeitungen und Übersetzungen der einzelnen Präsentationen ausdrücken.

Wie stellt man die zweiseitigen Collage-Köpfe am besten aus? Zum Beispiel, indem man sie in der Pausenhalle von der Decke hängen lässt. Nur leider würden sie dann nicht sehr lange überleben, sondern Opfer von Spiel- und Jagdtrieben werden. So wurden sie zunächst am Klassenfenster aufgehängt, wo sie von innen und außen zu sehen sind. Saisonbedingt mussten sie sich den Platz mit Kerzenfensterbildern teilen. Das ist einerseits keine ganz  künstlerisch wertvolle Nachbarschaft. Aber es kann ja nie schaden, wenn unseren Köpfen ein Licht aufgeht...

Später bot sich diese Vitrine am Fenster der Pausenhalle an.

Dieses Unterrichtsbeispiel habe ich auch im Studienseminar mit den angehenden Lehrerinnen durchgeführt. Dabei wurden nicht nur die Inhalte der Collagen, sondern auch eine damit korrespondierende Körperhaltung thematisiert und entsprechende Scherenschnitte entwickelt. In diesem Zusammenhang regten die künstlerischen Arbeiten von Martina Lückener dazu an, mit dem Körperschatten und der Lichtquelle zu experimentieren.

© Unterrichtsidee: Nicola Rother 2006 / 2013